Yankee – rassetypische Vorurteile

Wenn rassetypische Vorurteile die Bewertung eines Verhaltens und das Training bestimmen, kann das sowohl für die Entwicklung des Hundes selbst als auch für die Entwicklung der Mensch-Hund-Beziehung fatale Folgen haben.

Yankees Geschichte zu erzählen ist aus mir aus vielen Gründen ein Anliegen. Dass rassetypische Vorurteile zu einer Behandlung durch Trainer/innen geführt hat, die ich nur als furchtbar beschreiben kann, ist dabei nur ein Grund, aber dazu später mehr.

In der Hundeschule begegnen mir immer wieder Mensch-Hund-Teams, die ich auf die eine oder andere Art besonders und/oder beeindruckend finde. Und meist ist es die Entwicklung des Hundes, die mich dann beeindruckt.

Bei Yankee ist das anders. Ich erzähle Yankees Geschichte, weil mir noch nie zuvor ein Mensch begegnet ist, der so viele Gründe hätte, niemals wieder einen Fuß in eine Hundeschule zu setzen. Der so unglaublich viel Schlimmes in Hundeschulen erlebt hat und von Hundetrainern so schlecht behandelt wurde.

Mit der Vorgeschichte, die Yankee und sein Frauchen mit Hundetraining gemacht haben, noch den Mut aufzubringen und eine weitere Hundeschule aufzusuchen, um sich Hilfe zu holen, verdient meinen allergrößten Respekt.

Rassetypische Vorurteile und ihre Folgen

„Beagle sind nicht trainierbar.“, „Hütehunde wollen immer alle kontrollieren.“ und „Labradore sind Familienhunde und leicht zu erziehen.“ sind nur einige Beispiele aus der Masse der Vorurteile, die es über Hunderassen gibt. Was sie alle gemein haben, ist zum einen die Tatsache, dass sie in der Regel negativ sind und zum anderen, dass sie sich hartnäckig in den Köpfen der Menschen zu halten scheinen.

„Kampfhunde sind gefährlich und unsozial“ und „American Stafford sind dominant.“ sind rassetypische Vorurteile, die Yankee schon als Welpe zum Verhängnis wurden und die leider die nächsten Jahre bestimmen sollten.

Das Problem mit den Vorurteilen ist ja, das kein Raum für eine andere Betrachtungsweise bleibt und das Verhalten eines Hundes, dann durch genau diese Brille gesehen und bewertet wird.

Das ist im Übrigen ein Grund, warum ich so gar nichts davon halte, einem Hund aufgrund seiner Rasse bestimmte Fähigkeiten zu- oder abzusprechen.

Problemverhalten – Anamnese

Yankee kam zu mir in die Hundeschule, weil er eine sogenannte Leinenaggression zeigte, wenn er auf andere Hunde traf. Da Yankee ein Kraftpaket mit knapp 30 kg ist, musste also eine Lösung her für das heftige In-die-Leine-springen und das möglichst schnell.

Aus vorherigen Gesprächen wusste ich bereits, dass es aufgrund der Impulsivität des Hundes auch schon zu einem ernstzunehmenden Unfall gekommen war, bei dem außer der Kundin selbst, jedoch niemand zu Schaden kam. Ein weiterer wichtiger Grund für mich, das Verhalten an der Leine in den Fokus zu nehmen.

Die Frage, ob Yankees Frauchen in den anderen Hundeschulen bereits an diesem Problem gearbeitet hatte, bejahte die Kundin, allerdings blieb der gewünschte Erfolg dabei aus. Dazu später mehr.

Wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellte, wurde Yankee bereits im Welpenalter als unsozial und rüpelhaft eingestuft, weil er im Spiel wilder war als die anderen Hunde. Daher wurde er schon in den ersten Monaten seines Lebens aus dem, für ihn eigentlich so wichtigen Spiel, ausgeschlossen.

Eine Reaktion, die ich in keinster Weise nachvollziehen kann. Wo sonst, soll ein Hund lernen sich richtig zu verhalten, wenn nicht in einer kontrollierten Umgebung mit Gleichaltrigen?

Und ich wage zu behaupten, dass das so nicht gehandhabt worden wäre, wenn Yankee ein Golden Retriever wäre. Dass Hunde, die umgangsprachlich als Kampfhunde bezeichnet werden, wesentlich schneller als rüpelhaft und unsozial bezeichnet werden, höre ich leider sehr häufig. Auch hier spielen rassetypische Vorurteile immer wieder eine große Rolle – sehr zum Leidwesen der Hunde.

Das Etikett „rüpelhaft“ und die Folgen

Die Trainingsmethoden, die dann im Junghundalter folgten, zielten darauf ab, den „Rüpel“ in seine Schranken zu weisen. Oder um es deutlicher zu sagen: Die Trainer haben Yankee bedrängt und bedroht. Anschreien, Leinenruck, Abdrängen mit dem Knie und körperliches Bedrängen gehörten offenbar zum Standardrepertoire des Hundetrainers vor Ort.

Da Yankees Frauchen sich dort weder unterstützt noch verstanden gefühlt hat und sich beim Training auch nicht wohl gefühlt hat, verließ sie die Hundeschule.

Mit etwa acht Monaten erlitt Yankee zum ersten Mal eine Bissverletzung durch einen anderen Hund. Und in Folge dieser traumatischen Erfahrung wurde Yankee – verständlicherweise – unsicherer im Kontakt mit anderen Hunden.

Bedauerlicherweise, machte sich die Hundetrainierin in der nächsten Hundeschule nicht die Mühe, zu erfragen, ob es einen Grund für die mittlerweile auftretende Leinenaggression geben könnte.

Schlimmer noch, sie unterstellte Yankees Frauchen keine Bindung zu ihrem Hund zu haben und nannte Yankee einen Problemhund. Als diese Trainerin versuchte, den aus ihrer Sicht dominaten Hund mit Tritten in die Schranken zu weisen, verließ meine Kundin glücklicherweise diese Hundeschule.

Und auch der letzte Hundetrainer, bei dem die Kundin sich Hilfe erhoffte, war nicht in der Lage, eine andere Trainingsmethode anzubieten. Auch dieser Trainer arbeitete mit Druck und empfahl sogar ein sogenanntes Erziehungsgeschirr.

Exkurs: 

Ein Erziehungsgeschirr soll einen Hund vom Ziehen an der Leine dadurch abhalten, dass es Schmerzen verursacht, wenn der Hund zieht! 
Das neue Etikett „Problemhund“

Aus eigener Erfahrung weiß ich sehr gut, was es mit einem macht, wenn man immer wieder gesagt bekommt, der eigene Hund sei ein Problemhund und man hätte keine Bindung zu ihm. Man zweifelt an allem, auch an der Beziehung zum Hund und fühlt sich inkompetent, unfähig und hilflos. Nicht weil das stimmen würde, sondern weil es einem von vermeintlichen Fachleuten so gespiegelt wird.

Und natürlich macht man sich dann Gedanken, wie es dazu kommen konnte, das der eigene Hund zu einem Problemhund werden konnte. Und weil man es dann auch noch gesagt bekommt, beginnt man zu glauben, man selbst sei das Problem. Oder man würde das Problem verschlimmern. Und so erging es auch Yankees Frauchen.

Und um es mal ganz deutlich zu sagen:

Yankee war und ist kein Problemhund!

Der Hund hat ein Problem. Das ist etwas völlig anderes. Es macht mich ziemlich wütend, wenn Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, bei Problemverhalten von Hunden zu helfen, nicht in der Lage sind, diese Unterscheidung zu machen.

Und Yankees Frauchen ist auch nicht das Problem! Und sie hat es auch nicht verschlimmert!

Im Gegenteil, sie hat ja mehrfach versucht, sich Hilfe bei Fachleuten zu suchen, um ihrem Hund mit seinem Problem zu helfen. Leider bis dahin ohne Erfolg.

Ein unvergessliches Erstgespräch

Es gibt mehrere Gründe, warum ich dieses Erstgespräch wohl niemals vergessen werde. Die Tatsache, dass Yankees Frauchen in Tränen ausbrach, als ihr sagte, dass sie einen wirklich tollen Hund hat, ist nur einer davon.

Noch nie zuvor hatte ihr ein Hundetrainer so viele Fragen zu ihrem Hund gestellt! Oder ihr gesagt, dass sie einen echt tollen Hund hat! Dass sie ja alles getan hat, damit es Yankee gut geht. Und – was vielleicht noch viel wichtiger ist: Dass das Verhalten ihres Hundes verständlich und nachvollziehbar ist.

Das hat mich echt berührt!

Ein Neustart musste her

Nachdem ich mir schließlich von Yankee und seinem Frauchen auf dem Spaziergang einen Eindruck machen konnte und erkannte, wie angespannt die Kundin war, beschloss ich, das Leinenführigkeitstraining erstmal hintenanzustellen. Es erschien mir wesentlich wichtiger, zunächst einen anderen Umgang mit Yankee zu etablieren. Einen, der auf positiver Verstärkung von gewünschtem Verhalten basierte.

Wir machten einen echten Neustart. Meine Empfehlung war, bei allem was Yankee jetzt trainieren sollte, so zu tun, als er hätte er es noch nie zuvor gemacht. Also beim Sitz z.B. ganz ohne Erwartung ans Training zu gehen und ihn, falls nötig mit einem Keks zu motivieren das Signal auszuführen, statt ihn zu bedrängen.

Da es mir wichtig war, den Fokus vom Problemverhalten weg zu bekommen, sollte Yankee erstmal lernen, draußen selbstständig Kontakt zu seinem Frauchen zu suchen. Wir benutzten den Clicker, um jedes erwünschte Verhalten zu verstärken. Der große Vorteil dabei ist, dass der Clicker unabhängig von der Stimmung des Menschen immer gleich klingt. So wird eine unbewusste Übertragung von Anspannung o.ä. verhindert und verbessert so den Trainingseffekt.

Meine Hoffnung war, dass aufgrund der geringen Schwierigkeit der Übungen, schnell ein Erfolgsempfinden bei Yankee und seinem Frauchen aufkommen würde. Und ich wünschte mir, dass beide Freude am Training entwickeln könnten.

Erste Erfolgserlebnisse

Zu meiner Erleichterung und Freude stellten sich tatsächlich nach kürzester Zeit wirklich tolle Erfolge ein. Bei unserem zweiten Termin vierzehn Tage später bot sich mir ein komplett verändertes Bild von den beiden auf dem Spaziergang.

Yankee lief aufmerksam neben seinem Frauchen her, die jetzt die Leine locker in der Hand hatte . Außerdem hörte Yankee auf das Sitz-Signal wesentlich besser als vorher und lief auch viel besser an der Leine. Und das obwohl wir mit dem Leinenführigkeitstraining noch gar nicht begonnen hatten.

Die beiden waren also endlich auf dem richtigen Weg. Und acht Wochen nach unserem ersten Termin schrieb mir Yankees Frauchen aus dem Urlaub, wie glücklich sie mit Yankee sei. Sie konnte mit ihm zum Strand und spazieren gehen und sogar an Hunde vorbei gehen, ohne dass Yankee pöbelte.

Nicht alltäglich

Bis diese kleinen Erfolgserlebnisse zu einer dauerhaften Veränderung im Alltag werden, liegt noch ein Stückchen Weg vor den beiden. Und leider hat eine zwischenzeitliche Krankheit bei Yankee und ein notwendige Operation das Training für einige Zeit unterbrochen. Doch ich bin sicher, dass sie den Weg erfolgreich bis zum gewünschten Ziel meistern können.

Aber um es erwähnt zu haben: Ein so schneller Erfolg, bei einem so lange bestehenden Problem ist alles andere als alltäglich.

Fazit

Yankee ist ein schönes Beispiel daür, dass es immer ratsam ist, rassetypische Vorurteile bei der Bewertung eines Verhaltens außen vor zu lassen und mit einem unvoreingenommenen Blick auf den Hund zu schauen.

Und die Geschichte von Yankee und seinem Frauchen zeigt auch, dass es immer wichtig ist, auf sein Bauchgefühl zu hören. Die Kundin hatte bei all den Trainingsmethoden, die ihr empfohlen wurden ein schlechtes Gefühl.

Deshalb sage ich meinen Kunden immer: „Hör auf Dein Bauchgefühl. Egal was ich Dir sage, wenn es sich für Dich nicht gut oder sogar falsch anfühlt, dann ist es nicht der richtige Ansatz.“

Wenn ich im Training etwas tun soll, bei dem ich mich nicht wohl fühle, kann das nicht mit einem Erfolg enden. Niemals.

Ich freue mich sehr, dass die beiden den Weg in meine Hundeschule gefunden haben. Und ich freue mich auf viele schöne Trainingsstunden. 🙂

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